Stuttgartologe Uwe T. Schaal
von Evelyn Scheer | 6. April 2021 | Menschen
Mittendrin in unserem BW:
Interview mit dem Stuttgartologen Uwe T. Schaal
„I wurd stark und groß mit Spätzle und Soß“
Stuttgartologe, Neudenker, Kolumnist, Stuttgarter Stadtführer und Schwabe mit Leib und Seele – all das ist Uwe T. Schaal.
Schon in jungen Jahren lag ihm die Schönheit „seiner Stadt“ Stuttgart am Herzen. Er schrieb Leserbriefe an die Stuttgarter Nachrichten, schrieb ans Rathaus, was ihm sogar ein Treffen mit dem damaligen OB Manfred Rommel verschaffte. Uwe ließ nie locker, engagierte sich im Zukunftsforum Feuerbach und dem Aufbruch Stuttgart. Mit seiner Webseite „Stuttgart-neu-gedacht“ macht er seine Ideen seit einigen Monaten öffentlich.
unser BW: Uwe, was treibt Dich an, Dich so sehr für Deine Heimatstadt zu engagieren?
Uwe: Stuttgart ist in der Fläche schön mit tollen Vierteln und lebendigen Treffpunkten. Leider gibt es aber auch an neuralgischen Punkten wie Königstraße und Marktplatz viel glanzlose Durchschnittsarchitektur.
Diese Meinung teilen viele Hauptstadtschwaben mit mir, aber scheinbar nicht jene, die hier für Stadtplanung zuständig sind. Solange ich noch schnaufen kann, kämpfe ich für Verschönerungen und gegen öde Rechteckarchitektur.
unser BW: Darüber schreibst Du ja unter anderem in Deiner E-Mail-Kolumne „Stadtsichter“. Seit vielen Jahren verewigst Du hier Deine Eindrücke aus unzähligen Stadtspaziergängen. Kostet das nicht irrsinnig viel Zeit?
Uwe: Zuallererst muss man neugierig sein. Man erlebt schon morgens auf dem Weg ins Büro Zwischenmenschliches, am Straßenrand Kurioses.
Als leidenschaftlicher Stadtbahnfahrer bewege ich mich alltäglich in einem Soziotop. Wichtig ist, keine festen Wege zu haben. Ich kaufe beispielsweise auch mal in anderen Bezirken meine Lebensmittel und streife dort durch die Straßen. Die SSB bringt mich immer wieder nach Hause. Aber ja, freilich kostet das Zeit. Kolumnist wird man als Stubenhocker nicht.
unser BW: Wie kamst Du zu dem ehrenhaften Titel „Stuttgartologe“?
Uwe: Das ist mir bei meinen geliebten Wortspielen während einer Stadtführung mit einer regelmäßigen Gruppe mal rausgerutscht (grinst). Alle waren sich einig, dass dies voll zu mir passen würde, und das ist hängengeblieben, also „bäbbt no“.
unser BW: Was würdest Du dem neuen OB Frank Nopper raten?
Uwe: Ich hatte schon einen kleinen Kontakt zu ihm. Raten kann man einem Chef von 15.000 Beschäftigten nur wenig. Auf meiner Webseite findet sich als Vorschlag eine Ausgehmeile am Neckar und natürlich möchte ich, dass sich Stuttgart architektonisch wieder mehr an seiner Vergangenheit orientiert, denn die Stadt gehörte mal zu den prächtigsten der Republik.
Er sollte sich Visionen nicht verschließen, denn allzu lange hat man nur vor sich hingewerkelt und selten groß gedacht.
unser BW: Du hast in allen vier Stadtregionen gewohnt: In den Innen-, Nord-, Filder- und Neckarbezirken. Gibt es einen Bezirk, für den Dein Herz besonders schlägt?
Uwe: Als gebürtiges Kesselkind würde ich gerne wieder dort wohnen. Dort ist es dicht aber auch sehr atmosphärisch, zumal immer mehr junge Familien dorthin zurückkehren. Während der Pandemie hat man einen sozialen Zusammenhalt gespürt, den man in den Reihenhaussiedlungen am Stadtrand nicht hat.
Favoriten sind das Bismarckplatzviertel (West) und der kleine Stadtteil Lehen (Süd). Ansonsten ist Feuerbach abseits der Durchgangsstraßen eine tolle Adresse mit viel Leben.
unser BW: Was bedeutet Heimat für Dich?
Uwe: Puh, eine Frage, mit der ich mich oft auseinandersetze (pausiert kurz). Ich kann mich seelisch tief auf einen Ort einlassen. Heimatgefühle habe ich in Stuttgart und Lugano.
Heimat ist aber vor allem meine Freundin, durch die ich Teilzeit-Ludwigsburger geworden bin. Somit habe ich also auch einen Blick von außen auf Stuttgart.
unser BW: An welche Stellen Stuttgarts führst Du Deine auswärtigen Gäste besonders gerne?
Uwe: Das hängt davon ab, ob sie Neulinge sind oder die Stadt recht gut kennen. Die Karlshöhe ist sehr oft dabei, weil es hier tolle Straßenzüge gibt, Besonderheiten, wie das Lapidarium oder natürlich den Biergarten auf dem Buckel. Ich steuere immer einen Panoramapunkt an, wo ich dann einiges über die Stadt erzähle, die so viele Superlative und Besonderheiten hat, welche selbst Stuttgarter oft nicht kennen. Ansonsten arbeite ich auf Wunsch, und das umfasst alle Gegenden der Stadt.
unser BW: Hast Du einen persönlichen Lieblingsplatz in Stuttgart?
Uwe: Das ist stimmungsabhängig. Die ruhigen Momente kann man nirgends besser genießen als auf einem der beiden Plätzchen in der Falterau. Alte Gassen ziehe ich mir gerne in Hofen und Plieningen rein. Da ich aber eher ins Leben dränge, steht bei mir der Bismarckplatz ganz oben, auch wegen der tollen Lokale.
unser BW: In welchem Restaurant oder Café sieht man Dich am häufigsten?
Uwe: Stammrestaurant, wobei ich viele frequentiere, ist das Sultan Saray in der Filderstraße. Bei den Cafés möchte ich das „Zimt und Zucker“ nennen, Herbert‘z Espressobar und das Glora, weil es nur dort die italienische Trinkschokolade gibt.
unser BW: Du gehst auch gerne außerhalb der Stadtgrenzen im Land wandern. Wohin zieht es Dich am liebsten?
Uwe: Hmmm, noch eine fiese Frage. Ich kenne viele Flecken und die Entscheidung fällt immer wieder neu, je nach Stimmung. Völlig unterschätzt sind das Strohgäu, aber auch Stromberg und Kraichgau, die ineinander übergehen.
unser BW: Waren oder sind Deine Kinder ebenfalls begeisterte Wanderer?
Uwe: Die Armen sind durch eine harte Schule gegangen (lacht laut). Aber sie sind Läufer geworden und legen in Stuttgart oft viele Kilometer zu Fuß zurück, auch immer auf der Suche nach neuen Flecken. Sie bewegen sich überwiegend in der Stadt, während ich das ganze Ländle unsicher mache.
Unser BW: Wie hast Du es geschafft, sie dafür zu motivieren?
Keine Ahnung! Sie mussten zumindest lange betteln, bis sie als Kleinkinder auf Papas Schulter durften. Meistens haben sie rechtzeitig aufgegeben (grinst).
unser BW: Welche sind Deine Lieblings-Spezialitäten aus Baden-Württemberg?
Uwe: Auch als globaler Esser, was man in Stuttgart schon fast zwangsläufig wird, begeistere ich mich immer wieder für hiesigen Kartoffelsalat, Spätzle, Ofenschlupfer. In d’Linse kört Essig und in d‘r Nachdisch Zibebe!
unser BW: Typisch ist für Dich …?
Uwe: Mangelnde Selbstdisziplin. Man hat mir schon manch Talent nachgesagt, aber ich schaffe es einfach nicht, mich auf eines zu konzentrieren. Die einen schätzen meine Fotos, andere meine Schriften und auch als Moderator und Unterhalter war ich schon zugange. Ich kann halt von nichts die Hände lassen. Außer vom Haushalt vielleicht …
unser BW: Herzlichen Dank, lieber Uwe, für das inspirierende Interview!
Uwe: Immer wieder gerne! Außerdem noch ein Lob für „unser BW“. Toll gemacht und die perfekte Ergänzung zu meiner Großstädterei!
Mehr über Uwe T. Schaals Ideen
gibt es hier.